Mit der AG Minimales Reisen schreibe ich regelmäßig meine Wahrnehmungen, Gedanken und Gefühle an unterschiedlichen, zumeist gewöhnlichen Orten in Berlin. Mein Text fließt – mit anderen Texten von Mitschreibenden, in die Parallelprotokolle mit ein und kann als ganzes Kunstwerk (hier: A4_ 674-21052414001420 Binnenhafenbecken.pdf) in einer Edition käuflich erworben werden. Wenn Du auch mitschreiben möchtest, findest Du hier die Termine und Anmeldemodalitäten, sowie weitere Erläuterungen zu Parallelprotokollen. Ich stelle meinen TExt nachfolgend zur Verfügung, vielleicht magst Du ihn als Anregung nutzen, Berlin zu erkunden, und Dich selbst zu entdecken. Wichtig ist, dass Du gemütlich bist und durchatmen kannst, wenn nicht, machs Dir schön, damit zeigt sich dann manchmal auch die Schönheit in der Stadt.
14:00
Interesting place. Wir sitzen auf einer Treppe, die direkt auf den Steg in das Hafenbecken führt. Es klappert laut auf der Maschine von der Nachbarin. Ein bisschen mulmig ist mir schon, es wackelt alles. Bin ganz irritiert von der Bewegung des Wassers. Links gab es eine kleine Welle, muss ein Fisch gewesen sein, und schon ist sie wieder verschwunden, aufgelöst in den großen Wassermassen.
Es tutet, ein Ton, der mir fremd ist. Klingt gut, ein angenehmer Ton, schon vorbei. Da ist es wieder, dieses angenehme Tuten, vielleicht haben Häfen eigene Signaltöne. Hinter uns sind menschliche Stimmen zu hören, ich drehe mich nicht um.
14:02
In der Ferne tatütata, Autos fahren um uns herum, also hinter uns, jetzt vielleicht ein LKW. Wie schwindelig ich mittlerweile bin, fühlt sich an, wie seekrank. Der Wind weht uns entgegen, die Sonne kommt von der linken Seite. Neben mir B. und links, vor uns H., mit ihrem beigen Sonnenhut und ganz in orange gekleidet. Sieht schön aus, sehr speziell, das T-Shirt mit einem angeschnittenen Arm. Kenne ich nicht, solche Schnitte, ist vielleicht japanisch?
14:04
Unter unserer Treppe ein Bötchen, blau angestrichen, aber schon sehr abgeschrammt, drunter viel weiß. Wenn wir von hier oben herunter schauen, liegt das leicht schwojende Boot zum Einsteigen bereit. Eigentlich sehr einladend, aber ich möchte es nicht betreten.
14:06
Auf der Wasseroberfläche sind viele Blüten, Staub, huch, Schreck … Fische, drei große zur Rechten, sie schwimmen neugierig und gelangweilt da herum, und fragen sich, was hier los ist. Sie sind ganz schön groß. Da hinten wieder interessante Töne, Klänge, die ich nicht zuordnen kann. Links rattert jetzt eine Lok mit der Aufschrift BEHALA. Hinter uns wieder das Geklapper eines Anhängers.
14:08
Rechts in dem kleinen Hafenbecken, wir sitzen ungefähr mittig, liegen zwei Ausflugsdampfer, „Eddy line“, ‘Abfahrt gegenüber Berliner Dom’, rot-weiß angestrichen, es heißt Helgard, so steht es vorne am Bug.
14:09
Ich spüre den Rost, auf dem wir sitzen, der Rost, das Rost, weiß nicht, wie es richtig heißt. Vorne rechts fährt ein LKW uns entgegen, CETAN Logistik, scheint gefährliche Flüssigkeiten zu transportieren.
14:11
Hinter dem ersten Ausflugsdampfer noch ein anderer, rechts, der sieht nicht so mondän aus, PHANTASIA heißt der. Da würde ich lieber sitzen, kann man drinnen und draußen sitzen. Ich stelle mir vor, wie der Capt’n auf seiner kleinen, grün umrandeten Brücke steht, jetzt aber nicht.
14.12
Links steht Viktoria, auch von Eddyline. Viktoria ist ein größerer Dampfer, möglicherweise die große Schwester von Helgard, vielleicht. Etwas weiter weg andere kleinere Schiffe, möglicherweise sogar Privatboote.
Wasserstraße könnte das hier heißen, besser als Hafenbecken, als würden wir hier herum schippern, so fühlt es sich an.
14.13
Vor uns links, auch auf dem GitterRost-Steg eine Anlage mit dreieckigen gelben Warnschildchen darauf, könnte „Achtung“ heißen , … ein Schrank, vielleicht ein Schaltschrank.
Rechts an meinem Arm eine Spinnenwebe, ich mag sie nicht, die Spinne ist bestimmt auch irgendwo versteckt, vielleicht hinter mir. Hab Angst um meinen Computer, nicht, dass ich den vor lauter Schreck und Überraschung noch ins Wasser werfe oder er hineinfällt.
14:15
Der Wind tut gut. Hinten rechts sind 4 große weiße Silos mit der Aufschrift Unitank, eine Treppe führt rund an der runden Außenwand nach unten.
14.16
Ein LKW rast laut hinter uns vorbei, war bestimmt leer.
Was hier wohl alles verladen wird? Getreide Speicher steht in alten Lettern auf dem linken Backsteingebäude, davor ein langes Gebäude mit der Aufschrift Lagerhalle. Ich glaube, da drin befindet sich Gastronomie. Könnte sein. Das wäre bestimmt ein toller Ort zum Feiern.
14:17
3000 kg Tragkraft, steht auf dem Kran, eigentlich ist hier nichts los, 4 solcher kleinerer Kräne, hinter uns Rattern vom LKW, er ist mit einem Container bepackt, sind alles nur Zugkraft … mir fehlen die Worte, ein Elektrokabel in schönem blau, direkt am Geländer vor uns und ein schwarzer Schlauch, der auch in die Kästen links führt, keine Ahnung, was da an- oder abgesaugt werden könnte?
14.19
Hier würde ich gerne länger sitzen, allerdings tut mein Hintern weh, hier auf dem Gitterrost.
Immer, wenn ich am Wasser bin, frage ich mich, wo die Welle anfängt und das Meer beginnt, die Grenzen, das Glitzern, die Sonne, die Wärme, die Farben, wenig Menschen. Ein Pulk von Menschen, es sind Männer, kommen uns entgegen, Hafenarbeiter wahrscheinlich nicht, eher Besucher.
21. Mai 2024
Idee / Anregung:
Fahr mit der Ringbahn oder der U9 zum Westhafen, (https://industriekultur.berlin/ort/westhafen/)schau Dich mal um, was da geschieht, wie es Dir da geht, … und dann geh über die Föhrer Brücke, links, am Wasser entlang, über die Seestraße zum Plötzensee, da kannst du eine kleine Pause machen, und wenn Du durch die Kleingartenanlage Rehberge gehst, kommst Du nach ca. 2 km zum Kurt-Schumacher-Platz, da gibt es genügend Möglichkeiten für ein Eis oder einen kleinen herzhaften Imbiss. Von da gehts zurück zu Deinem Berliner “home”.