Berlin-Protokoll: BVG Schienenersatzverkehr SEV

11.12.2023, Berlin-Protokoll: BVG U6, Schienenersatzverkehr

17:56 Los geht die rasante Fahrt. Wir stehen auf der Drehscheibe des Gelenkbusses, lehnen uns an die Ziehharmonika an, vor der wir stehen. Das ist ein guter Platz, hier kann ich gut stehen . Ich sehe gar nix, weiß nicht, wo ich bin. Die Brille ist mit feinen Regentröpfchen überzogen. Ich hab Angst, dass mir schlecht wird, bin erinnert an das Busfahren zur Schule, da wurde mir regelmäßig jeden Morgen übel. Und wenn ich hier stehe, schreibe und nix sehe trägt das nicht unbedingt zu meinem Wohlbefinden bei, noch dazu kenne ich auch die Strecke gar nicht.

17:59 Ux vom Alex zur Osloer Str., ich habe keinen Plan, wie man da hinkommt, bin die Strecke noch nicht mit dem Rad abgefahren. Die Fenster sind beschlagen, ein junger Typ mit blauer Daunenjacke steht mir genau gegenüber, er hat große Kopfhörer auf, vielleicht hört er gar nichts, was um ihn herum geschieht. Mein Mitschreiber steht neben mir, auch ins Handy tippend.

18:00 Die Ziehharmonika im Gelenkbus zieht uns in alle Richtungen, ein tolles Gefühl. Es kommt eine Ansage: U-Bahnhof Rosa Luxemburg Platz. Halten Sie sich während der Fahrt fest.

18:02 Der Halt hier ist gut. Spüre „getragen sein“- Ja, ein bisschen schon. Nächste Ansage: U Bahnhof Rosenthaler Platz. Ich denke kurz an meine Nebenkostenabrechnung, muss vielleicht 300 nach be-zahlen. Fast alle Fahrgäste sind am Handy.

18:04 Oh Gott, bloß jetzt keine Übelkeit, damit hätte ich am wenigsten gerechnet. Ich hatte mich vorbereitet, mental, auf das Schreiben im Schienenersatzverkehr und mich auf mehr Enge eingestellt. Bestimmt sind schon alle zuhause auf dem Sofa und schauen das Abendprogramm, das mache ich dann auch, wenn ich nach Hause komme.

18:06 Fast falle ich um, so scharf bremst der Bus. Ich nehme an, es fährt keine Frau. Frauen fahren weicher. Zwei Ladies sind eben eingestiegen, eine mit grünem, eine mit weißem Kopftuch, knallig die Lippen geschminkt, jung, hübsch. Die eine hat eine ganz merkwürdige Kopfbedeckung.

18:07 Eine junger Typ mit Maske, uns gegenüber, krault sich die Haare und schaut auf sein Handy, könnte ein Film sein, den er da sieht.

18:08 M. hustet. Ein Mann steht auf, wartet auf den Ausstieg, Bernauer Str. Der Bus zieht an, hoppelt über die Gleise, bremst. Ich fühle mich getragen von der Ziehharmonika. Ich lehne mich ganz nach hinten. Ansage: U Bahnhof Volta Str.

18:10 Das ist hier so gar nicht mein Revier. Ich fahre normalerweise nicht die U8. Viele junge Leute sind hier unterwegs, und bieten ein ganz anderes Bild als die Menschen in der U9 . Ein riesengroßer Mann, mit dunkler Hautfarbe steigt ein, stellt sich in den vorderen Stehbereich, obwohl genügend Plätze frei sind. Ich schaue auf das Display, Gesundbrunnen .

18:11 Der Mann mit dem Gekraule am Kopf setzt eine rote Mütze auf und stellt sich wartend in den Ausgang. Ein anderer Typ ebenfalls. Die Eine, von den zwei Frauen mit den Kopfbedeckungen und fettem Geschminke steigt aus. Sie sehen wunderschön aus und ich würde gerne wissen, wie sie aussehen, wenn ihre Haare frei fallen dürfen.

18:12 Es ruckelt und wackelt, M. ist verschleimt, immer noch. Es sind einige Plätze zum Sitzen frei, aber wir stehen. Es wird langsam warm in mir, das ist gar nicht gut.

18:13 Es piept, Zeichen für die Tür. Noch zwei Stationen, P-Str.. und dann schon Osloer Str. Das ging ja echt gut, aber reicht dann auch. Ich atme laut aus, ist so heiß und es erhitzt mich mehr und mehr. Würde gerne den Mantel ausziehen. Heute ist es eh so warm.

18:15 Diese Strecke möchte ich nochmal fahren, wenn es hell und trocken ist. Bei Regen ist es schon recht unangenehm. Aus dem Augenwinkel sehe ich draußen ein Schild mit „Supermarkt, Köfteci, Pizzeria al Forno, mfo Matratzen. Ich denke, so könnte es auch in Istanbul aussehen.

18:16 Der Bus bremst scharf und wirft mich nach vorne. Aber ich stehe gut, gehalten zwischen den typischen, gelben Haltegriffen der BVG.

18:17 Jetzt zischt der Busfahrer wieder ganz schön schnell los, viel besser als erwartet und alles klingt nach Ende, U Bahnhof Osloer Str.. Hier ist das Ende des Ersatzverkehrs. Wahnsinn, und schon ist alles vorbei. Es atmet laut aus, … gut, dass es keiner mitbekommt.

Idee / Anregung
Fahr mal mit dem Gelenkbus und stell Dich auf die Drehscheibe. Lass Dich tragen von der Ziehharmonika. Wir fühlt sich das an? Bist Du wohl? würdest Du lieber sitzen wollen? Welche Busstrecken findest Du angenehm?

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