Berlin-Protokoll: Waschsalon

Eine junge Frau, H., Gen Z, sagt: uiii, ich stehe gerade vor einem Waschsalon. Habe ich noch nie gesehen. Ich weiß gar nicht, wozu man einen Waschsalon brauchen könnte? Gibt es denn Leute, die keine Waschmaschine haben? Für sie ist dieser Text. Ihr könnt ja mal schauen, wie oft Ihr einen Waschsalon seht und ob Ihr dort schon mal gewaschen habt. Was sind das für Situationen, in denen man einen Waschsalon benötigt? Schreibt Eure Erfahrungen gerne in die Kommentare.

Der Text ist entstanden, beim Schreiben eines Parallelprotokolls, da könnt Ihr auch mitschreiben, zumindest, wenn Ihr in Berlin seid. Wir schreiben parallel 20 Minuten chronologisch mit Blick auf einen Ort oder Gegenstand. Weitere Infos hier.

13:02
Let’s go. Zu dritt sitzen wir auf der Fensterbank des Waschsalons in Mitte. Sie sagte, „wir haben ja sogar Zuschauer“. Ein Mann schaut uns freundlich fragend an, mit ihm sind drei junge Mädels und eine Frau, vielleicht handelt es sich um seine ganze Familie.

14.04
Nebenan, im Café, unterhalten sich Männer, laut lachend. Man sieht die Gesprächspartner nicht, sie sitzen mit dem Rücken zur Wand, könnten Frauen sein, manchmal höre ich eine Frauenstimme fragen oder antworten. Der Mann spricht mit Akzent, vielleicht ein Amerikaner oder Italiener?

13:05
OMG, welch ein Durcheinander hier. Ist eigentlich gar nicht viel los, neben der 5köpfigen Familie noch 2 Frauen, sonst keine weiteren Leute, die waschen.

13:06 Ich verstehe gar nicht, wie teuer hier eine Wäsche ist. Vorne, über allem, hängt ein großes Schuld, cashless payment, bargeldloses Bezahlen. 

13:07
Links stehen 6 silberne Mielemaschinen, sie stehen vor der Mitte-typischen Tapete mit Muster aus orange, grün, braun. Unter dem Schild gibt es einen Hinweis, Waschmaschine C und D, Trockner A und B. Ich verstehe es einfach nicht. Der Mann aus dem Café schaut zu uns herüber. Einer sagte, „ ich hab in New York gewohnt“ – ich sehe nicht, wem er das erzählt, er war jedenfalls ganz in seinem Element, scheint alle um sich herum als Bühne zu brauchen.

13:09
Eine Frau legt Tücher in Maschine Nr. 16, neben der Wäsche, könnte ein Trockner sein. Eine andere steht dabei. Ich schaue die Nummerierung der Maschinen an, 1-6, 19-24. Das ist hier alles nicht selbsterklärend. Hier könnte ich auch nicht einfach so waschen. Auf einem anderen Schild, gleich rechts, nicht so präsent, steht dann „Selbstbedienung im Waschsalon“.

13:10
Die 5 köpfige Familie zeigt sich nun zusammengehörend. Eines der Mädels faltet eine Hose zusammen.

13:11
Manno, was quatscht dieser Kerl aus dem Café da eigentlich so herum? „Ich habe viele Länder besucht, gute, schlechte, den meisten Menschen ist es scheißegal … – HÖR mal zu! – sagt er harsch zu der Gesprächspartnerin, er spricht laut in den Raum. „Die gute Seite des Lebens, die schlechte Seite des Lebens …“ – es geht immer weiter, die Sätze bleiben offen im Raum stehen. Kann gar nicht aufhören, ihm zuzuhören. So laut und durchdringend. 

13:13
Er verschafft sich eine Bühne, weit über die Geräusche der Waschmaschinen und Trockner hinaus, – die sind gar nicht so laut, schnurren sanft wie eine Katze. Der Mann bestimmt das Geschehen, er sieht nicht unangenehm aus, aber sein Gerede ist kaum zum Aushalten. Eine kleiner als die anderen, verlassen die Familienmitglieder den Salon.

13:14
Jetzt kommt jemand rein. Es ist ruhig und leer geworden, jetzt, wo die Familie raus ist. Eine Bank mit 4 Plätzen steht den Besuchern zur Verfügung, sieht aus, wie vom Amt. Direkt daneben, gleicher Eingang, das Café, ist eigentlich echt schön gemacht, eine schöne Location.

13:15
An den Maschinen 23 und 21, rechts, kleben gelbe Schilder, die sind wahrscheinlich defekt, auf jeden Fall werden sie nicht benutzt.

13:16
Apple-pay, google-pa<, visa-card und master-card steht als Bezahlmethode auf dem großen Schild an der Wand. Ich habe nichts von alle dem, dann könnte ich hier gar nicht waschen.

13:17
2 Frauen sind noch an den hinteren Maschinen, vielleicht sind es Trockner. Der Mann, spricht wieder ganz laut „Sie müssen Politik machen, …“ .

Ich denke an unser Gespräch und Lara, sie macht nicht nichts. Die jungen Menschen orientieren sich nach ihrem Abitur, wissen nicht, was sie tun sollen, das ist der Job, sie bereiten sich vor, Schule hat sie nicht vorbereitet.

13:18
Warum sind hier so viele Waschmaschinen? Der Laden ist nicht so große. Ich kriege Heimweh, könnte auf der Stelle los heulen. Das Einfachste geht nicht mehr einfach zu bedienen. Ich komme noch aus einer Zeit, in der meine Mutter die Wäsche auf einem Waschbrett in der Waschküche gewaschen hatte. Das modernste war schon eine Schleuder. Und hier, jetzt, geht nix, was sich mir einfach erschließen würde. Zwar sind die Maschinen wie immer, daran hat sich nichts geändert, aber wie sie zu bedienen sind, das ist das große Rätsel.

13:20
Da Karte, da Bargeld, 10+5 Euroscheine stehe da auf dem Schild. Aber wieviel es nun kostet, erschließt sich mir nicht.

13:21
Die Frau mit Schal und Mütze pack liebevoll ihre getrocknete Wäsche in ihren Rucksack, sie trinkt Caprisonne. Der Trockner von der anderen Frau läuft noch.

13:22
Al Capone war derjenige, der in den 30er Jahren in den Waschsalons die Geldwäsche eingeführt hatte, nicht Paolo Escobar, – das war gestern eine gute Frage bei wer-wird-millionär, das war schon ein Teil meiner Vorbereitung auf das Schreiben im Waschsalon.

Waschsalon

2 Kommentare

  1. Ja. Waschsalon ist super. So habe ich in England lard und peppermint sauce kennengelernt. 1984 oder so. Und natürlich bin ich froh über meine eigene Waschmaschine. Und ja – es geht auch anders. Danke für die Inspiration.

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