Berlin_Protokoll: Krähen

Seit der Erfindung der Parallelprotokolle schreibe ich immer mal wieder an unterschiedlichen Orten in Berlin meine Wahrnehmungen, Gedanken und Gefühle. Der folgende Text ist mein Teil eines Parallelprotokolls, das wie folgt bestellt werden kann: A4_738-01112416391700 Krähen.pdf. Wenn Du auch mitschreiben möchtest, melde Dich hier an.

011124_PP_Krähen

16:40
Eine Minute geschenkt. Ist ja erst ’39. Manno, welch ein Wunder! In diesem ganzen Getümmel von vielen Menschen am A-Platz, sehe ich V. und G., mit der ich vor vielen Jahren die Gestaltausbildung beim Fritz-Perls-Institut (FPI) gemacht habe. Wir begegnen uns nie, obwohl wir so dicht beieinander wohnen. 

16:41
Es ist langsam am Dunkeln. Jetzt sind alle Krähen weg, ich höre eine, mit kräh kräh kräh. Super, eigentlich mag ich gar keine Krähen, aber seit bekannt ist, dass die so tolle intelligente Tiere der Lüfte sind, mag ich sie lieber. 

16:42
Ich erschrecke mich, wenn sie mit großem Flügelschlagen in die Lüfte abhauen. Jetzt sind sie weg, hier, vor uns. Diesen Platz hatten wir extra für sie ausgesucht, s waren ziemlich viele hier. Ich höre sie nur, vllt schreiben wir auch über die Sprache der Krähen, die Krähensprache. Manchmal drei, vllt auch 4mal das Gekrähe. Gekrächze ist es nicht, die haben einen tollen Sound. An meinen nackten Fußgelenken raschelt es verdächtig, ich denke, i-welche Tiere, dabei ist das gar nix. 

16:43
Zwei Typen mit lauter Musik gehen an uns vorbei, sie sehen uns nicht, jetzt sind sie hinter uns. Vor uns nimmt eine Krähe Position auf einem Betondings ein. Eine andere watschelt am Boden, ziemlich dicht, an den Leuten vorbei, die da sitzen. Als bitte sie um Essen.

16:44
Die Krähe auf dem Betonabsatz putzt sich.  Ich atme durch, tut gut, fühle mich im Moment in mir zuhause. Eine Frau kommt mit ausgestreckter Hand an uns vorbei. Sie hat eine Legotüte und eine andere Einkaufstüte und bettelt sich so durch. Jetzt läuft sie den zwei jungen Leuten hinterher.

16:46
Krah, krah, krah. Die Krähen gleiten elegant durch die Lüfte, werden beim Landen auf dem Boden von einem kleinen Jungen gejagt. Sie verschwinden schnell wieder. Ich kann sie gar nicht fassen. Eine fliegt auf den großen Warstein-Schirm der Kneipe, zwei andere Krähen gesellen sich in genügend Abstand hinzu. Ich glaube, die wollen eher alleine sein, treten nicht im  Pulk auf.

16:49
Wir wechseln kurz die Medien, weg vom Laptop hin zum Notizbuch. Operation Krähe kackt auf Mitschreiberin. Kleine Unterbrechung, nach dem Krähenschi**. Iiiiih, ein kleiner Flaatschen im Heft von A. und dann auch auf ihrer Mütze. Diese eine Krähe scheint direkt über uns im Baum zu sitzen. Der Sitzplatz ist mir jetzt gar nicht mehr geheuer. Ich fürchte, auch einen Klecks abzukriegen. 

16:50
Von links bläst gerade laute Blasmusik zu uns, ich kann nicht erkennen, ob die in echt spielen oder ob es aus der Retorte kommt? Klingt die brass band Bläser, total gut. Zwei Typen laufen mit Beat Musik auf einer Musikbox an uns vorbei, ich höre sie von hinten.

16:53
Vor uns, in dem kleinen grünen Zipfel einer Parkanlage, sitzen jetzt 6 Krähen, dann sind zwei weg geflogen und schließlich sind es jetzt nur noch drei. Irgendwie sind die nervös. Ich schlage eine neue Seite auf, denke daran, dass mein Heft bald zu Ende geht und ich endlich das schöne Buch von A. nehmen kann.

16:54
Die Krähen nehmen auf dem Betonboden Position ein, wie drei Wesen bauen sie sich auf, sie wirken irgendwie stolz. Vier andere Krähen sitzen genau über uns im Baum, komisches Gefühl. Die Spitze des Gebäudes am Fernsehturm ist faszinierend, manchmal sieht man die Krähen da hin und her flattern bzw. gleiten.

16:56
So wie sie, bin ich auch in Hab-Acht-Stellung. Meine Lippen sind fest aufeinander gesperrt. Toll, wie die Krähen den Luftraum einnehmen. Ich frage mich, ob sie auch gegen den Wind fliegen. Wir sitzen hier gerade gegen den Wind, ist ganz schön kalt.

16:57
Die Krähen fliegen meist allein, also jede für sich und doch scheinen sie verbunden zu sein. Ob sie dann bald schlafen gehen? So hatte sie von der Krähenexpertin geschrieben. Keine Krähe mehr hier, kein krah krah. Zwei über uns. Mögen sich nicht nicht entleeren, gerade jetzt!

16:58
Bei uns im Garten, in der Kastanie, wohnen auch zwei Krähen. Man solle sie ja gut erziehen können, z.B. zum Müll sammeln. Sie sind so unfassbar, im wahrsten Sinne des Wortes.

16:59
Ich finde Gefallen daran, mehr über die Krähen zu erfahren. Sie sind da und sie sind weg, sie sind sichtbar und unsichtbar. Da sind sie allemal.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert