Berlin-Protokoll: Waschen, schneiden, föhnen

Ein Salon in Berlin. Zu dritt schreiben wir unsere Gedanken, Wahrnehmungen und Gefühle auf, wie sitzen nebeneinander auf einem Wartesofa. Wie eine Zeitreise fühlt es sich für mich an, eine Reise nach Hause, in die Welt, die ich kenne, die ich bis heute noch rieche, der Duft der Dauerwelle, der Farbe und des Tafts, Haarspray, eben.

Wie geht es Dir, wenn Du einen Frisörsalon betrittst? Schreib gerne Deine Erfahrungen, Erinnerungen und Erlebnisse in die Kommentare.

Betreff: 02042025_PP_Friseur

11:34 Ich höre: Normalerweise mache ich immer Haaröl rein. Die Kundin und der Friseur unterhalten sich, die langen Haare sehen toll aus. Die Kundin umarmt den Friseur, holt sich ihre Jacke von der Garderobe und verläßt den Salon mit ihrem großen Hund.

11:35 Wir sitzen auf einem Sofa, neben mir sagt die Frau „alle einen Termin bei Dieter“ und dann gehts weiter. Die Frau schaut neugierig auf unser Auftreten, Computer auf dem Schoß und los gehts. Als würden wir hier eine Aufführung machen. Ich höre einen Gesprächsfetzen, bitte wieder ganz kurz. D. hat einen Zopf und ein bunt geblümtes Hemd, total toll. Ich komme mir vor, wie Zuhause. So eine schöne Atmosphäre, wie wunderbar. Der Friseur mit den dreads bedient eine Kundin, schnippelt an ihr herum, mit einer langen Schere, ich verstehe nicht, was er tut, er schneidet auf Sicht. Alles, was ihm über zu sein scheint, schneidet er ab. What the hack, – ist das für ein System? Witzig. Vielleicht so, wie Miri schneidet. Locke für Locke, einfach auf Sicht. 

11:38 Die ältere, grauhaarige Kundin sieht schön aus, das wird was, aber sehr speziell. Er sieht auch sehr besonders aus, so gar nicht, wie ein Friseur, mit den dreads und dem Cappy.
11:39 Der Hund – lag da am Boden. Ach, endlich sehe ich ein Wella Handtuch, das läßt mich nochmal mehr nach zuhause fühlen. Er kämmt. Ich denke an meinen Chef, 10mal kämmen, einmal schneiden. Er kommt mit der gewaschenen Kundin runter, sie nimmt auf einem Ölpumpstuhl Platz, dieses Monstrum von Stuhl kenne ich auch aus dem Familiensalon. D. föhnt die feuchten Haare wieder an.

11:40 Der Friseur mit den Dreads schnippelt weiter. Ich mag das Geräusch der klappernden Schere nicht. Bei den kleinen Scheren ist das anders. Die machen so einen kleinen Tastenklick bzw. Scherenklick, wie die unterschiedlichen Tastentöne beim Tippen auf dem Computer.
11:41 Ich mag nicht auf die Kundinnen schauen, die wissen nicht, was wir hier machen. Den Namen des Friseurs kenne ich irgendwo her, berühmter Friseur. Die Produkte sind nicht von Wella. Ich erkenne sie nicht. Sie sehen aus wie Farbdosen oder Joghurtdosen. Weiß, Flieder, Champagner, gelb, lindgrün, bis mint, mit viel weiß, als könnte man sie essen. Interessiert mich, was das wohl ist. Klapper, Klapper, schnippel, schnippel. Er schneidet trocken, das muss man vielleicht bei den dicken und störrischen Haaren der Kundin auch.

11:43 Ich denke, wie es mir wohl so gehen würde, wenn ich hier so angeschaut werden würde. Dieser Salon ist schön, so edel und doch so einfach, so berührbar. Mit dem Gummibesen sind die abgeschnittenen Haare in der Ecke zusammen gefegt und dort liegen gelassen. Wir hatten einen tiefen Container, der in die Erde eingelassen war, so dass wir die Haare einfach da hinein fegen konnten, sie waren dann weg.

11:45 Schöne Loungemusik. Das Schaufenster sieht interessant aus. Da ist wie eine zweite Fensterfront eingearbeitet, vielleicht als Wärmeschutz. Alles Gold, könnte auch ein Safe sein. Ja, sieht aus, wie ein Safe.11:46Ich hab keinen Termin, kann ich denn kurzfristig? fragt die neu hereingekommene Frau. Die Kollegin sagte: … ich habe eine Lücke, morgen um 15:45.  Das mache ich. Was ist denn morgen eigentlich? Morgen ist der 3. April. Also kein Aprilscherz mehr. – So in aller Kürze der kleine Dialog.

11:47 Kubische Lampen, grüne Regale um die Spiegelkacheln herum. Ein bischen Holz. Hier würde sogar der Mutti Schrank noch hinpassen. In Berlin geht irgendwie alles. Die anfragende Kundin geht frohen Mutes raus. Diese Terminierungen führen oftmals dazu, dass keine neuen Kunden Platz nehmen dürfen – und damit auch keine Überraschungen. Ich halte mich ja durchaus für eine Überraschung. Die kurzhaarig geschnittene Kundin von M. wird kurz geföhnt. Ist eigentlich einfach,  aber doch auch anspruchsvoll.

11:50 Der junge Friseur mit den dreads sieht cool aus, mit seinem Bundeswehr grünen Look. Er nimmt die Haarschneidemaschine zu Hilfe und rasiert den Nacken und die Konturen. Ich hätte es oben etwas breiter gemacht. Ich glaube, sie gehen jetzt zum Waschen. Ist nicht wenig Haare am Boden. S. regte an, die Haare in kleinen Säckchen zu sammeln und sie den Kunden mit nach Hause zu geben, als Streichelsäckchen. Das würde das Dilemma mit dem lästigen Haare-Zusammenfegen-müssen etwas abmildern und die abgeschnittenen Haare würden die Wertschätzung erfahren, die sie verdienen.
11:53 Ein Friseur formt gerne Haare – dann kann er doch froh sein, wenn eine Kundin oder ein Kunde seine Haare zur Verfügung stellt. ich lasse meine Gedanken schweifen, denke, eigentlich müßte der Friseur der Kundin Geld dafür bezahlen, dass er/sie die Haare formen kann, wenn er/sie das gerne macht.

ich schnappe noch ein Wort auf, höre … Supervision. Ob die Kundin eine Supervisorinn ist? Könnte passen. Sie ist gleich fertig.

11:54 Ölpumpstühle von Olymp und kleine runde Designer Ablageschränkchen, wie Nachtschränke. Die Kundin ist fertig. Sie sieht gut aus. Sie gibt ihm zwei zwanziger bar auf die Hand, vielleicht.

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