Dieser, mein Text ist Teil der Parallelprotokolle, die im Rahmen der Arbeitsgemeinschaft Minimales Reisen entstanden und in einer Spezialedition veröffentlicht ist. Wir schreiben hybrid. Ich weiß gar nicht, wer sonst noch mit schreibt. Ich sitze hier alleine und im Anschluss an das Schreiben, verlesen wir die Texte am Telefon.
Radweg 0211202113101330
13:10
Der Fokus liegt auf RAD-weg. Ich frage mich, ob ich jetzt auch gerne auf dem Radweg fahren wollen würde. Es ist ziemlich kühl, frisch. Oh, da kommt einer vorbei geradelt. Mit Helm und grimmigem Blick fährt der zügig an mir vorbei.
Dieser Radweg ist ja ein ganz besonderer. Er ist erst seit letztem Sommer, – weil Corona -, provisorisch angelegt worden, auf der zweispurigen Kantstrasse, wo sowieso schon viele Autos unterwegs sind. Es ist ein Genuss, diesen Radweg in Richtung Zoologischer Garten zu nehmen. Aber sicher fühle ich mich damit auch nicht, denn immer kommen einem die Autos in die Quere, rechtsabbiegend. Also muss man eh immer gut aufpassen und ein zügiges Durchfahren ist nicht wirklich gewährleistet.
13:13
Ah, da kommt wieder eine Radlerin, ganz gechillt mit roter Baskenmütze. Ein Radfahrer kommt stürmisch von rechts und fährt voll falsch über die Strasse. Er sitzt nicht, sondern fährt im Stehen, komisch sah der aus. Aber ja, kann man alles machen. Ich fahr auch manchmal auf der falschen Seite und dann einfach, wo frei ist. Dann ist grün. Wieder kommt einer vorbei, ein Flink-Auslieferungsfahrer by bike, hinter mir hat Flink seine Station. Ich höre die Fußgänger sprechen, während sie die Ampel überqueren. Die Autos sammeln sich jetzt einspurig an der roten Ampel, ein großer VX Tiguan mit russischen Kennzeichen. Jetzt ein E-Roller Fahrer und wieder eine Fahrradfahrerin mit Mütze, wir grinsten uns fröhlich zu. Eigentlich ist gar nicht so viel los, hier auf dem Radweg. Die Leute in den Autos schauen mich verwundert an, wie ich hier sitze, schreibend, mit Laptop auf dem Schoß und auf dem Stuhl von der Brasilianerin. Sie hatte wieder nix verstanden, aber sie ist freundlich. ich habe ihr meinen letzten tollen Apfelkuchen gebracht, als Danke für ihren geliehenen Stuhl.
13:15
—- oh, ein Radfahrer rauscht zügig vorbei, weiße Haare und sonst keine Kopfbedeckung. Hier stinkt es unangenehm, sauer, wie Müll, hinter mir auch viele Mülltonnen. Jetzt halten zwei E-Autos vor mir, ein Hyundai, sieht echt mega gut aus – und wieder eine Radfahrerin und ein Roller mit einem jungen Typen, lockiges Haar und Schnauzbart. Gleich darauf zieht ein anderer junger Typ im Business Look vorbei: Lederjacke, Rucksack und Hoodie-Kapuze, interessante Mischung.
13:17
Ich sitze im Laub, und entdecke wieder viel Müll im Laub, u.a. eine Hanuta Verpackung. Eine Radlerin mit weißer Jacke, eine Hand in der Jackentasche, ohne Kopfbedeckung, mein Alter, – schätze ich, fährt zügig vorbei. Gleich darauf kommt eine, sie fährt mich Licht, eine ältere, mit dunklen, lockigen Haaren. Wenn ich noch im Salon arbeiten würde, könnte sie meine Kundin sein. Eine Frau ab 40, – so hatte es mir meine Mutter gerne empfohlen. „Mach doch einen Salon für Frauen ab 40, die sind zufriedener“. – Schwups, wieder fährt einer vorbei, beide Hände in der Jackentasche. Wie nennt man das, wenn man „blind“ fährt, ohne Hände? ich weiß es grad nicht, ach „freihändig“! Kommt wieder einer, der jetzt auch anhält, weil die Ampel ihn zum Anhalten geladen hatte. Der Erste, der stehenbleiben muss, sieht etwas klobig und untersetzt, vielleicht slawisch.
13:21
Die Autos laufen in einem fort. Die anderen Radfahrer auf der anderen Seite sehe ich gar nicht. Jetzt die Fussgänger, eine Frau mit einem Hund an der Leine, sie kuckt mich auch verwundert an. Viele nach innen gerichteten Gesichtsfelder, bei den Fußgängern. Bei den Radfahrern anders, die sind wacher und präsenter. Da, wieder eine, sie kaut sich auf der Lippe herum und trägt ihre weiße Maske wie eine Tasche am rechten Arm, natürlich auch mit Helm, sie war jung.
13:24
Ich drehe mich mal um, riskiere einen Blick in die andere Richtung, kein Verkehr auf dem Radweg, da, rechts von der Windscheidstrasse sind nicht so viel Bäume, verhältnismäßig schlicht und stadtfein, hier, auf dem Weg vom Amtsgerichtsplatz, ist es etwas mehr belaubt.
13:26
deliverit-now.de – was es alles gibt? ein großer Aufkleber auf einem Transporter, was der wohl ausliefert? – Jetzt wieder ein Roller, diese Grünen, und wieder ein Radfahrer mit gelber Warnweste, – schwupp, weg sind se. Es gibt gar nicht viel Zeit, dem Fluss der Fahrenden zu folgen. Die Ampel schaltet auf rot, ich sehe sehr viele Radfahrer, allerdings kreuzen die meisten die Straße in Süd-Nord-Richtung.
13:28
Ein Typ auf einem grünen Rad und eine Skaterfahrerin, rollen selbstverständlich den
Radweg entlang, ganz gechillt. Ein älterer Herr auf einem schicken roten Fahrrad hielt kurz hier an, wir lächelten uns zu. Ich erlaubte mir, ihn anzusprechen: „Sie sind jetzt dran, – ich schreibe Sie hier auf!“ Er war sichtlich irritiert, glaubte, was falsch gemacht zu haben, dann klärten wir das auf und er fuhr geradewegs weiter.
13:28
Jetzt ein rotes Auto auf dem Fahrrad weg, das ist doch verboten? zum Abbiegen nach rechts. Eine ältere Frau mit Hut, ein mega schickes neues Auto.
13:30
Wieder fahren die PKWs über den Radweg, dürfen sie doch gar nicht. Ich weiß nie, wie ich fahren soll, ob ich bim Parken den Radweg benutzen darf? ich glaube nicht. Das ist sehr streng geahndet und find ich auch gut.
Es hupt, und wieder eine flotter Radfahrer mit Sonnenbrille, eine Frau mit einer türkisfarbenen Kopfbedeckung, auch freundlich. Gegenüber wird gerade ein Auto abgeschleppt, ein BMW, er scheint mit dem ADAC – eine Frau läuft hektisch herum.
Ein toller Platz ist das hier und trotz des vielen Verkehrs, sehr gechillt. Anders als am Savignyplatz. Der Radweg, die gelben Markierungen, war ursprünglich ein Provisorium, und wird jetzt bleiben, vielleicht ewiglich.
November 2011
Idee / Anregung:
Beobachte mal, wie oft Du Radfahrer entdeckst, wenn Du eine Straße überquerst. Wie fühlst Du Dich in ihrer Gegenwart und möchtest Du selbst auch die Stadt erkunden by bike? Ich fahre mit Dir vom Charlottenburger Schloß bis zum Alexanderplatz oder wo immer Du hin radeln möchtest.